Heinrich Thüringer:
"Als mir die 22+58 aus dem Ruder lief"
"Loss of directional control in 22+58"

  Es konnten noch ein paar alte Bilder aufgetrieben werden:
 
 


Dezember 1978: Obrst-Ltn. Heinrich Thüringer
Staffelkapitän der 1.Staffel des JaboG-34 Memmingerberg
 

 
 


H.Thüringer und die 1.Staffel 1978

 
   

 

 
 

Wie die 22+58 aus dem Ruder lief.

Erzählt von Oberstleutnant a.D. Heinrich Thüringer.

 

 Als ich von der Suche der Haltergemeinschaft nach Bildern oder erinnerungswürdigen Geschichten von der in Memmingen lange Zeit eingesetzten F-104 G mit der Seriennummer 22+58 erfuhr, blätterte ich in meinem Flugbuch nach.

 Während meiner Zeit als Staffelkapitän der 1.Staffel des Jagdbombergeschwaders 34 in Memmingen von 1976 bis 1979 hatte ich doch sicher auch dieses Flugzeug geflogen. Und siehe da, ich wurde fündig. Nun ist es nicht so, dass man sich nach 25 Jahren noch an einzelne Flüge mit bestimmten Flugzeugnummern erinnert, es sei denn, es bleibt eine außergewöhnliche Begebenheit im Gedächtnis.

 Mein Flugbuch weist  insgesamt 11 Flüge mit der 22+58 aus, die meisten sind Routineeinsätze wie Tiefflugnavigation bei Tag und Nacht, Instrumentenflug im oberen Luftraum und Schießplatzeinsätze. Nichts Aufregendes also. Der  Eintrag der ersten drei Flüge jedoch brachte lebhafte Erinnerungen zurück.

 Hier muß ich vorwegschicken, dass die 1./JaboG 34 zu der damaligen Zeit einen so genannten „Mini-Staffelaustausch“ mit der 421 Squadron (Indian Squadron) der Royal Canadian Armed Forces in Söllingen/Baden pflegte, die ebenfalls mit dem Starfighter ausgerüstet waren, allerdings mit der Version CF-104, und die, wie meine Staffel, in der Rolle Luft-Bodenangriff der NATO assigniert war. Ungefähr einmal im Monat wurde je ein Flugzeugführer für drei Tage zur Teilnahme am Flugdienst der Partnerstaffel und zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch beordert.

 Mitte November 1976  hatte ich mich selbst dazu eingeteilt und flog am Nachmittag des 16. 11. mit der 22+58 nach Söllingen. Dort wurde ich herzlich aufgenommen und erlebte einen kameradschaftlichen Abend an der Bar des Offizierheimes, wo ich auch mir bekannte Piloten der ebenfalls in Söllingen stationierten  439 „Tiger“ Squadron  und 441 „Checkerboard“ Squadron traf, mit denen ich im Mai des Jahres am „Tactical Weapons Meet“ teilgenommen hatte.

 Am nächsten Tag konnte wegen Nebels am Platz erst gegen Mittag gestartet werden. Aufgrund der schlechten Sicht über deutschem Fluggebiet lautete der Flugauftrag: Tiefflug über Frankreich, den ich allerdings alleine absolvieren mußte, da mein zugeteilter Rottenflieger an seinem Flugzeug einen technischen Defekt hatte. Am Abend führte ein erneuter „Angriff“ nach Frankreich, dieses mal aber ohne die 22+58, sondern  mit dem Auto über die Grenze ins Elsaß zum Stammlokal der 421 Squadron mit dem treffenden Spitznamen „garlic pit“ (Knoblauchpfanne). 

 Bei leckerem Essen und süffigem Wein bauten wir das gegenseitige Verständnis und die Freundschaft zwischen den Fliegern der Luftwaffe und der Royal Canadian Armed Forces um Dutzende von Froschschenkellängen aus.

 Aufgrund der Wetterlage war am nächsten Tag wieder erst  ab Mittag Tiefflug über Frankreich möglich. Unter Führung von Brian, dem kanadischen Staffelkapitän, planten Hank, sein Einsatzoffizier, und ich als  Rottenflieger für unsere Dreierformation eine Route im taktischen Tiefflug mit simulierter  Bekämpfung  eines Verschiebebahnhofes. 

 Die Angriffsphase war auf die spezielle Waffe der Kanadier zugeschnitten, die CVR- 7,eine Luft-Boden Bekämpfungsrakete, die ihr Ziel mit Höchstgeschwindigkeit und unerreichter Genauigkeit traf. Professionell kurz und präzise hielt Brian die Einsatzbesprechung und schon fuhren wir zu den Abstellplätzen der Flugzeuge.

 Neben der 22+58 erwartete mich ein kanadischer Flugzeugwart und meldete mir das Flugzeug flugklar: „She is in fine shape, Sir“. Kurzer Dank, Händeschütteln und ich umrundete das Flugzeug zur  üblichen Vorfluginspektion. Alles okay. Einsteigen, Anschnallen, Start des Triebwerks, „sieben Finger check“ liefen in gewohnter Routine ab und schon erteilte der Kontrollturm über Funk unserer Formation die Freigabe zum Rollen. In der Halteposition vor der Startbahn warteten Brian und Hank in ihren CF-104 mit dem typischen moosgrün-gemustertem Tarnanstrich auf mich.

 Nach dem Funkspruch  „cleared onto the runway and hold“ rollte Brian auf die Startbahn, drehte nach rechts und richtete sein Flugzeug exakt auf der Mittellinie der Startbahn in Startrichtung aus. Wie abgesprochen, kreuzte ich hinter ihm und schwenkte nach rechts um die 22+58 links neben ihm auf meiner Starbahnhälfte parallel zu seinem Flugzeug aufzustellen. Doch plötzlich, was zum Teufel... STOP... Vollbremsung. Mit der schlanken, langen Nase leicht nach unten wippend kam die 22+58 zu einem abrupten Halt. Das Biest folgte meinen linksseitigen Rudereingaben nicht mehr, mit denen ich  es aus der rechten Kurve wieder in eine gerade Rollrichtung bringen wollte. Das Staurohr zeigte nicht wie beabsichtigt die Startbahn entlang, sondern in einem Winkel dazu auf einen Punkt der Mittellinie vor Brians Flugzeug.  Seine Kopfwendung zu mir herüber mit der unausgesprochenen Frage „Ready?“ beantwortete ich mit einem Kopfschütteln.

 Die Funktion der Bugradsteuerung mußte ich unbedingt noch einmal überprüfen. Hatte ich versehentlich den Bugradsteuerknopf  während der Rudereingaben nicht fest genug gedrückt? Also, Knopf drücken, Bremsen lösen, Gashebel leicht nach vorne und die Ruder schnell rechts-links bewegt. Nur eine weitere Vollbremsung verhinderte, dass ich dem Führungsflugzeug zu nahe kam, die 22+58 hatte sich nicht nach links steuern lassen, sie hielt die Vorwärtsbewegung nach rechts ein und die Nase zeigte nun bedrohlich in Richtung Cockpit meines „lead“.

 „Indian Zero One Bravo is aborting“.

Die Entscheidung am Boden zu bleiben war unter diesen Umständen die einzig richtige, auch wenn ich mich auf diesen Flug so sehr gefreut hatte.

 Als Antwort erhielten Zero One Lead und Charly die Startfreigabe.  Brian und Hank fuhren die Triebwerke auf Volllast, zündeten die Nachbrenner und lösten die Bremsen. Selbst unter dem Helm in meinem Cockpit empfand ich den Lärm als ohrenbetäubend und die Abgase der feuerspeienden und sich rasend schnell entfernenden Schubdüsen schüttelten die 22+58 und mich kräftig durch. Einen knappen Kilometer weiter hoben die Silhouetten der Flugzeuge mit den kreisrunden Flammenscheiben am Heck von der Starbahn ab, die Fahrwerke verschwanden wie von Geisterhand eingezogen in den Rumpf, die Flammenscheiben erloschen beim Abschalten der  Nachbrenner und kurz nach dem Einleiten einer Linkskurve verschwanden die beiden im Dunst.
 
 Da ich ja nun auf der Startbahn mehr Platz hatte, versuchte ich erneut die Bugradsteuerung mit den vorher durchgeführten Handgriffen wieder „einzufangen“. Kein Erfolg. Als Ergebnis meiner Bemühungen stand jetzt die 22+58 fast im rechten Winkel zur Startbahnrichtung auf der Mittellinie und blockierte damit die Bahn für Starts und Landungen.

 „Tower, request tow truck to line-up position on the runway.“ Mir blieb nichts anderes übrig, als mich abschleppen zu lassen.

 Peinlich, peinlich. Da bin ich schon mal Gast bei NATO-Partnern und behindere den ganzen Betrieb, denn inzwischen sammelten sich nach und nach einige CF-104 in der Warteposition. Die Piloten sahen teilnahmslos zu mir herüber, einige trommelten ungeduldig mit der flachen Hand auf der Cockpitablage. Zwei Rotten mußten ihre Landeanflüge abbrechen, durchstarten und donnerten im Formationsflug über mich hinweg. Endlich kam der Schlepper, die Warte klinkten das Bugrad an die Schleppstange, ließen mich das Triebwerk abstellen und in der danach eintretenden Stille wurde die 22+58 mit mir im Cockpit zur Instandsetzungshalle gezogen.

 Dort stellte sich heraus, dass das Bugradlenkungssteuergerät (nose wheel steering unit) defekt war. Es mußte durch einige Telefonate noch sichergestellt werden, dass die in Söllingen verfügbaren Ersatzgeräte auch mit der 22+58 kompatibel waren und dann wurde der Austausch durchgeführt. Bis weit nach Feierabend werkelten die Mechaniker und ermöglichten mir damit den für diesen Tag geplanten Heimflug, den ich mit einer Landung kurz vor 2100 Uhr Lokalzeit in Memmingen ereignislos abschloß.

 Die Eintragungen in meinem Flugbuch zeigen, dass ich rein zufällig meine beiden nächsten Flüge ebenfalls mit der 22+58 durchgeführt habe, ein Zeichen dafür, dass wir beide nicht nachtragend waren.

 
 

Loss of directional control in 22+58.

by LtCol (GAF ret.) Heinrich Thüringer.

 

 When I learned about the project to document the history of a former JaboG 34 aircraft, an F-104 G with the tail number 22+58, I went through the pages of my flight log book.

 

 I figured I must have flown this aircraft when serving as Squadron Commander of 1st Squadron of  Fighter Bomber Wing  34 in Memmingen from 1976 to 1979. Sure enough there were a couple of flights. Now, after 25 years you usually don’t remember details of flights with particular aircraft numbers except there were some unstandard occurrences which stay in your mind.
 

 There were a total of 11 flights with 22+58 in my log book. Most of them were routine sorties like low level navigation at day or night, instrument flights in upper air space and air to ground gunnery sorties. Nothing exciting really. However…there are vivid memories connected to the first three flights I had in this aircraft.

 Let me tell you beforehand that at that time my squadron shared a so called “mini squadron exchange program” with 421 Squadron (Indian Squadron) of the Royal Canadian Armed Forces in Söllingen/Baden. They were flying the Canadian version of the “Starfighter”, the CF-104, and like my squadron were assigned to NATO in the “Ground Attack” role. About once a month a pilot with his aircraft would deploy for three days to the partner squadron to take part in their flying activities for a mutually beneficial  exchange of experiences.
 

 In November 1976 it was my turn to enjoy a stay with 421 Squdn and on the afternoon of Nov. 16th I flew with aircraft number 22+58 to Söllingen. There I was cordially welcomed by  my hosts and we adjourned to the bar in the officers mess where I also met with pilots from 439 “Tiger” Squadron and 441 “Checkerboard” Squadron whom I knew from our participation in  “Tactical Weapons Meet” in May of this year.
 

 The next day flying could only start at around noontime due to groundfog. Bad visibility throughout Germany caused us to plan for low level navigation over France. My sortie was flown as a single ship since my wing man encountered technical deficiencies in his aircraft and had to stay on the ground. There was another “attack on France” in the evening, this time without 22+58 as we crossed the border by car into Elsaß to check out the squadron´s favorite restaurant which they aptly called “garlic pit”.

 

 We enjoyed superb French cuisine and wine and enhanced mutual understanding and friendship between flyers of the Luftwaffe and the Royal Canadian Armed Forces by dozens of frog leg lengths.

 
Next days weather again dictated flying operation to be low level over France only starting at noontime. Lead by Brian, the Canadian Squadron Commander, Hank, the operations officer, and I planned a three ship low level tactical formation flight with a simulated attack on  a railyard.


The attack phase was tailored to suit the specific extraordinary performance  of the Canadian air-to-ground rocket CVR-7 which hits the target with high impact speed and unprecedented precision.

Brians mission briefing was short and precise in a professional manner and off we went to the aircraft in the shelter aerea.

 A Canadian crew chief who had worked on 22+58 reported her readiness status by saying: “She is in fine shape, Sir”. I thanked him, we shook hands and I preflighted the aircraft as usual. All OK. Entering the cockpit, strap in, engine start, “seven fingers check” were routinely accomplished before the control tower transmitted taxi clearence to our formation of three aircraft.

 Brian and Hank in their typical moss-green camouflaged CF-104s were waiting for me in number one position prior to entering the runway.


After the radio call “cleared onto the runway and hold” by the control tower Brian entered the runway and turned right to align his aircraft exactly on centerline of the runway. As briefed I crossed behind him and swung the nose of the aircraft to the right to position 22+58 left of and parallel to Brians aircraft on my half of the runway. But all of a sudden, what the hell…STOP…I applied full brakes. 22+58 came to an abrupt halt with her nose slightly whipping up and down. That beast did not follow my left rudder inputs any more  which I applied to stop her right turn and get her nose back to pointing straight down the runway. Instead the pitot boom was pointing in an angle towards the centerline of the runway to a point just in front of Brians aircraft. I had to answer his twist of the head towards me meaning “ready?” by a definite head shake.

 

 First I just had to recheck the proper functioning of the nose wheel steering system. Had I failed to depress the nose wheel steering button to the fullest extent while applying left rudder? So I tried again to depress the button, release the brakes, move the throttle forward slightly and move the rudder pedals right and immediately reversing to the left. Only another violent braking action prevented me from getting too close to lead aircraft. 22+58 could not be steered to the left; her nose was cocked to the right and now was menacingly pointing towards leads aircraft cockpit.

“Indian Zero One Bravo is aborting”.

 The decision to stay on the ground under these circumstances was the only correct thing to do although I had been looking forward to that flight with a lot of expectation.


 Tower answered with takeoff clearence for Zero One Lead and Charly. Brian and Hank increased engine thrust to full military,  ignited the afterburners and released the brakes. Even in the cockpit protected by my helmet I felt the roaring noise almost unbearable and when the aircraft quickly moved forward the red-hot flaming exhaust gases coming out of their engine nozzles left good old 22+58 and me behind in a violently shaking air mass. About a klick away the silhouettes of the aircraft lifted from the runway  trailing circles of flames. Gears retracted into the fuselage like moved by magic and the bright flames went dark when the afterburners were switched off. Shortly thereafter the aircraft initiated a left turn and vanished into the mist.
 

 Since I now had more manoeuvring space on the runway I tried to regain control of the nosewheel steering system one more time. There was no success. As a result of my efforts 22+58 now was standing on runway centerline in a right angle to runway direction and this way blocked the runway both for takeoffs and landings.


 “Tower, request tow truck to line-up position on the runway”. The only way to leave this place safely was to get towed away.

 How embarrassing! Here I am as guest at a NATO air base and prevent the host wing from going through with their planned flying activity. In the meantime there were some CF-104s gathering in number one position awaiting their turn for takeoff. The pilots looked at me without a motion, only some of them were impatiently drumming with their fingers against the cockpit glare shield. Two two-ship flights had to break off their landing approach,  had to go around and passed me thundering overhead. Finally the tow truck arrived, the crew chiefs connected the nose wheel to the tow bar and had me shut down the engine. Silence spread in the cockpit and 22+58 was towed to the maintenance hangar with me in the cockpit.

 Pretty soon the maintenance specialists found out that the nose wheel steering unit had failed. By calling my home base they received confirmation that their available spare units were compatible with 22+58. Repair works were started and took until  after duty hours. This extra effort by maintenance enabled me to return to home base on this day as planned. Shortly before 2100 hour local time I landed at Memmingen without any further event.

 My flight log book tells me that by pure incident my next two flights were also accomplished with 22+58 which indicates that neither of us was hedging bad feelings.

 
 

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