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Wie die
22+58 aus dem Ruder lief.
Erzählt von Oberstleutnant a.D. Heinrich
Thüringer.
Als
ich von der Suche der Haltergemeinschaft nach Bildern oder
erinnerungswürdigen Geschichten von der in Memmingen lange Zeit
eingesetzten F-104 G mit der Seriennummer 22+58 erfuhr,
blätterte ich in meinem Flugbuch nach.
Während meiner Zeit als Staffelkapitän
der 1.Staffel des Jagdbombergeschwaders 34 in Memmingen von 1976
bis 1979 hatte ich doch sicher auch dieses Flugzeug geflogen.
Und siehe da, ich wurde fündig. Nun ist es nicht so, dass man
sich nach 25 Jahren noch an einzelne Flüge mit bestimmten
Flugzeugnummern erinnert, es sei denn, es bleibt eine
außergewöhnliche Begebenheit im Gedächtnis.
Mein Flugbuch weist insgesamt 11 Flüge
mit der 22+58 aus, die meisten sind Routineeinsätze wie
Tiefflugnavigation bei Tag und Nacht, Instrumentenflug im oberen
Luftraum und Schießplatzeinsätze. Nichts Aufregendes also. Der
Eintrag der ersten drei Flüge jedoch brachte lebhafte
Erinnerungen zurück.
Hier
muß ich vorwegschicken, dass die 1./JaboG 34 zu der damaligen
Zeit einen so genannten „Mini-Staffelaustausch“ mit der 421
Squadron (Indian Squadron) der Royal Canadian Armed Forces in
Söllingen/Baden pflegte, die ebenfalls mit dem Starfighter
ausgerüstet waren, allerdings mit der Version CF-104, und die,
wie meine Staffel, in der Rolle Luft-Bodenangriff der NATO
assigniert war. Ungefähr einmal im Monat wurde je ein
Flugzeugführer für drei Tage zur Teilnahme am Flugdienst der
Partnerstaffel und zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch
beordert.
Mitte
November 1976 hatte ich mich selbst dazu eingeteilt und flog am
Nachmittag des 16. 11. mit der 22+58 nach Söllingen. Dort wurde
ich herzlich aufgenommen und erlebte einen kameradschaftlichen
Abend an der Bar des Offizierheimes, wo ich auch mir bekannte
Piloten der ebenfalls in Söllingen stationierten 439 „Tiger“
Squadron und 441 „Checkerboard“ Squadron traf, mit denen ich im
Mai des Jahres am „Tactical Weapons Meet“ teilgenommen hatte.
Am
nächsten Tag konnte wegen Nebels am Platz erst gegen Mittag
gestartet werden. Aufgrund der schlechten Sicht über deutschem
Fluggebiet lautete der Flugauftrag: Tiefflug über Frankreich,
den ich allerdings alleine absolvieren mußte, da mein
zugeteilter Rottenflieger an seinem Flugzeug einen technischen
Defekt hatte. Am Abend führte ein erneuter „Angriff“ nach
Frankreich, dieses mal aber ohne die 22+58, sondern mit dem
Auto über die Grenze ins Elsaß zum Stammlokal der 421 Squadron
mit dem treffenden Spitznamen „garlic pit“ (Knoblauchpfanne).
Bei
leckerem Essen und süffigem Wein bauten wir das gegenseitige
Verständnis und die Freundschaft zwischen den Fliegern der
Luftwaffe und der Royal Canadian Armed Forces um Dutzende von
Froschschenkellängen aus.
Aufgrund
der Wetterlage war am nächsten Tag wieder erst ab Mittag
Tiefflug über Frankreich möglich. Unter Führung von Brian, dem
kanadischen Staffelkapitän, planten Hank, sein Einsatzoffizier,
und ich als Rottenflieger für unsere Dreierformation eine Route
im taktischen Tiefflug mit simulierter Bekämpfung eines
Verschiebebahnhofes.
Die
Angriffsphase war auf die spezielle Waffe der Kanadier
zugeschnitten, die CVR- 7,eine Luft-Boden Bekämpfungsrakete, die
ihr Ziel mit Höchstgeschwindigkeit und unerreichter Genauigkeit
traf. Professionell kurz und präzise hielt Brian die
Einsatzbesprechung und schon fuhren wir zu den Abstellplätzen
der Flugzeuge.
Neben
der 22+58 erwartete mich ein kanadischer Flugzeugwart und
meldete mir das Flugzeug flugklar: „She is in fine shape, Sir“.
Kurzer Dank, Händeschütteln und ich umrundete das Flugzeug zur
üblichen Vorfluginspektion. Alles okay. Einsteigen, Anschnallen,
Start des Triebwerks, „sieben Finger check“ liefen in gewohnter
Routine ab und schon erteilte der Kontrollturm über Funk unserer
Formation die Freigabe zum Rollen. In der Halteposition vor der
Startbahn warteten Brian und Hank in ihren CF-104 mit dem
typischen moosgrün-gemustertem Tarnanstrich auf mich.
Nach dem
Funkspruch „cleared onto the runway and hold“ rollte Brian auf
die Startbahn, drehte nach rechts und richtete sein Flugzeug
exakt auf der Mittellinie der Startbahn in Startrichtung aus.
Wie abgesprochen, kreuzte ich hinter ihm und schwenkte nach
rechts um die 22+58 links neben ihm auf meiner Starbahnhälfte
parallel zu seinem Flugzeug aufzustellen. Doch plötzlich, was
zum Teufel... STOP... Vollbremsung. Mit der schlanken, langen
Nase leicht nach unten wippend kam die 22+58 zu einem abrupten
Halt. Das Biest folgte meinen linksseitigen Rudereingaben nicht
mehr, mit denen ich es aus der rechten Kurve wieder in eine
gerade Rollrichtung bringen wollte. Das Staurohr zeigte nicht
wie beabsichtigt die Startbahn entlang, sondern in einem Winkel
dazu auf einen Punkt der Mittellinie vor Brians Flugzeug. Seine
Kopfwendung zu mir herüber mit der unausgesprochenen Frage „Ready?“
beantwortete ich mit einem Kopfschütteln.
Die Funktion der Bugradsteuerung mußte ich unbedingt noch einmal
überprüfen. Hatte ich versehentlich den Bugradsteuerknopf
während der Rudereingaben nicht fest genug gedrückt? Also, Knopf
drücken, Bremsen lösen, Gashebel leicht nach vorne und die Ruder
schnell rechts-links bewegt. Nur eine weitere Vollbremsung
verhinderte, dass ich dem Führungsflugzeug zu nahe kam, die
22+58 hatte sich nicht nach links steuern lassen, sie hielt die
Vorwärtsbewegung nach rechts ein und die Nase zeigte nun
bedrohlich in Richtung Cockpit meines „lead“.
„Indian Zero
One Bravo is aborting“.
Die
Entscheidung am Boden zu bleiben war unter diesen Umständen die
einzig richtige, auch wenn ich mich auf diesen Flug so sehr
gefreut hatte.
Als
Antwort erhielten Zero One Lead und Charly die Startfreigabe.
Brian und Hank fuhren die Triebwerke auf Volllast, zündeten die
Nachbrenner und lösten die Bremsen. Selbst unter dem Helm in
meinem Cockpit empfand ich den Lärm als ohrenbetäubend und die
Abgase der feuerspeienden und sich rasend schnell entfernenden
Schubdüsen schüttelten die 22+58 und mich kräftig durch. Einen
knappen Kilometer weiter hoben die Silhouetten der Flugzeuge mit
den kreisrunden Flammenscheiben am Heck von der Starbahn ab, die
Fahrwerke verschwanden wie von Geisterhand eingezogen in den
Rumpf, die Flammenscheiben erloschen beim Abschalten der
Nachbrenner und kurz nach dem Einleiten einer Linkskurve
verschwanden die beiden im Dunst.
Da ich ja nun auf der Startbahn mehr Platz hatte, versuchte ich erneut die
Bugradsteuerung mit den vorher durchgeführten Handgriffen wieder
„einzufangen“. Kein Erfolg. Als Ergebnis meiner Bemühungen stand
jetzt die 22+58 fast im rechten Winkel zur Startbahnrichtung auf
der Mittellinie und blockierte damit die Bahn für Starts und
Landungen.
„Tower,
request tow truck to line-up position on the runway.“
Mir blieb nichts anderes übrig,
als mich abschleppen zu lassen.
Peinlich,
peinlich. Da bin ich schon mal Gast bei NATO-Partnern und
behindere den ganzen Betrieb, denn inzwischen sammelten sich
nach und nach einige CF-104 in der Warteposition. Die Piloten
sahen teilnahmslos zu mir herüber, einige trommelten ungeduldig
mit der flachen Hand auf der Cockpitablage. Zwei Rotten mußten
ihre Landeanflüge abbrechen, durchstarten und donnerten im
Formationsflug über mich hinweg. Endlich kam der Schlepper, die
Warte klinkten das Bugrad an die Schleppstange, ließen mich das
Triebwerk abstellen und in der danach eintretenden Stille wurde
die 22+58 mit mir im Cockpit zur Instandsetzungshalle gezogen.
Dort
stellte sich heraus, dass das Bugradlenkungssteuergerät (nose
wheel steering unit) defekt war. Es mußte durch einige
Telefonate noch sichergestellt werden, dass die in Söllingen
verfügbaren Ersatzgeräte auch mit der 22+58 kompatibel waren und
dann wurde der Austausch durchgeführt. Bis weit nach Feierabend
werkelten die Mechaniker und ermöglichten mir damit den für
diesen Tag geplanten Heimflug, den ich mit einer Landung kurz
vor 2100 Uhr Lokalzeit in Memmingen ereignislos abschloß.
Die
Eintragungen in meinem Flugbuch zeigen, dass ich rein zufällig
meine beiden nächsten Flüge ebenfalls mit der 22+58 durchgeführt
habe, ein Zeichen dafür, dass wir beide nicht nachtragend waren.
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Loss of directional
control in 22+58.
by LtCol (GAF ret.) Heinrich Thüringer.
When I learned about
the project to document the history of a former JaboG 34
aircraft, an F-104 G with the tail number 22+58, I went through
the pages of my flight log book.
I
figured I must have flown this aircraft when serving as Squadron
Commander of 1st Squadron of Fighter Bomber Wing 34 in
Memmingen from 1976 to 1979. Sure enough there were a couple of
flights. Now, after 25 years you usually don’t remember details
of flights with particular aircraft numbers except there were
some unstandard occurrences which stay in your mind.
There
were a total of 11 flights with 22+58 in my log book. Most of
them were routine sorties like low level navigation at day or
night, instrument flights in upper air space and air to ground
gunnery sorties. Nothing exciting really. However…there are
vivid memories connected to the first three flights I had in
this aircraft.
Let me tell you
beforehand that at that time my squadron shared a so called
“mini squadron exchange program” with 421 Squadron (Indian
Squadron) of the Royal Canadian Armed Forces in Söllingen/Baden.
They were flying the Canadian version of the “Starfighter”, the
CF-104, and like my squadron were assigned to NATO in the
“Ground Attack” role. About once a month a pilot with his
aircraft would deploy for three days to the partner squadron to
take part in their flying activities for a mutually beneficial
exchange of experiences.
In November 1976
it was my turn to enjoy a stay with 421 Squdn and on the
afternoon of Nov. 16th I flew with aircraft number
22+58 to Söllingen. There I was cordially welcomed by my hosts
and we adjourned to the bar in the officers mess where I also
met with pilots from 439 “Tiger” Squadron and 441 “Checkerboard”
Squadron whom I knew from our participation in “Tactical
Weapons Meet” in May of this year.
The next day
flying could only start at around noontime due to groundfog. Bad
visibility throughout Germany caused us to plan for low level
navigation over France. My sortie was flown as a single ship
since my wing man encountered technical deficiencies in his
aircraft and had to stay on the ground. There was another
“attack on France” in the evening, this time without 22+58 as we
crossed the border by car into Elsaß to check out the squadron´s
favorite restaurant which they aptly called “garlic pit”.
We enjoyed
superb French cuisine and wine and enhanced mutual understanding
and friendship between flyers of the Luftwaffe and the Royal
Canadian Armed Forces by dozens of frog leg lengths.
Next days weather again dictated flying operation to be low
level over France only starting at noontime. Lead by Brian, the
Canadian Squadron Commander, Hank, the operations officer, and I
planned a three ship low level tactical formation flight with a
simulated attack on a railyard.
The attack phase was tailored to suit the specific extraordinary
performance of the Canadian air-to-ground rocket CVR-7 which
hits the target with high impact speed and unprecedented
precision.
Brians mission
briefing was short and precise in a professional manner and off
we went to the aircraft in the shelter aerea.
A Canadian crew
chief who had worked on 22+58 reported her readiness status by
saying: “She is in fine shape, Sir”. I thanked him, we shook
hands and I preflighted the aircraft as usual. All OK. Entering
the cockpit, strap in, engine start, “seven fingers check” were
routinely accomplished before the control tower transmitted taxi
clearence to our formation of three aircraft.
Brian and
Hank in their typical moss-green camouflaged CF-104s were
waiting for me in number one position prior to entering the
runway.
After the radio
call “cleared onto the runway and hold” by the control tower
Brian entered the runway and turned right to align his aircraft
exactly on centerline of the runway. As briefed I crossed behind
him and swung the nose of the aircraft to the right to position
22+58 left of and parallel to Brians aircraft on my half of the
runway. But all of a sudden, what the hell…STOP…I applied full
brakes. 22+58 came to an abrupt halt with her nose slightly
whipping up and down. That beast did not follow my left rudder
inputs any more which I applied to stop her right turn and get
her nose back to pointing straight down the runway. Instead the
pitot boom was pointing in an angle towards the centerline of
the runway to a point just in front of Brians aircraft. I had to
answer his twist of the head towards me meaning “ready?” by a
definite head shake.
First I just
had to recheck the proper functioning of the nose wheel steering
system. Had I failed to depress the nose wheel steering button
to the fullest extent while applying left rudder? So I tried
again to depress the button, release the brakes, move the
throttle forward slightly and move the rudder pedals right and
immediately reversing to the left. Only another violent braking
action prevented me from getting too close to lead aircraft.
22+58 could not be steered to the left; her nose was cocked to
the right and now was menacingly pointing towards leads aircraft
cockpit.
“Indian Zero One
Bravo is aborting”.
The decision
to stay on the ground under these circumstances was the only
correct thing to do although I had been looking forward to that
flight with a lot of expectation.
Tower answered with takeoff clearence for Zero One Lead and Charly. Brian
and Hank increased engine thrust to full military, ignited the
afterburners and released the brakes. Even in the cockpit
protected by my helmet I felt the roaring noise almost
unbearable and when the aircraft quickly moved forward the
red-hot flaming exhaust gases coming out of their engine nozzles
left good old 22+58 and me behind in a violently shaking air
mass. About a klick away the silhouettes of the aircraft lifted
from the runway trailing circles of flames. Gears retracted
into the fuselage like moved by magic and the bright flames went
dark when the afterburners were switched off. Shortly thereafter
the aircraft initiated a left turn and vanished into the mist.
Since I now had
more manoeuvring space on the runway I tried to regain control
of the nosewheel steering system one more time. There was no
success. As a result of my efforts 22+58 now was standing on
runway centerline in a right angle to runway direction and this
way blocked the runway both for takeoffs and landings.
“Tower, request tow truck to line-up position on the runway”. The only way
to leave this place safely was to get towed away.
How embarrassing!
Here I am as guest at a NATO air base and prevent the host wing
from going through with their planned flying activity. In the
meantime there were some CF-104s gathering in number one
position awaiting their turn for takeoff. The pilots looked at
me without a motion, only some of them were impatiently drumming
with their fingers against the cockpit glare shield. Two
two-ship flights had to break off their landing approach, had
to go around and passed me thundering overhead. Finally the tow
truck arrived, the crew chiefs connected the nose wheel to the
tow bar and had me shut down the engine. Silence spread in the
cockpit and 22+58 was towed to the maintenance hangar with me in
the cockpit.
Pretty soon the
maintenance specialists found out that the nose wheel steering
unit had failed. By calling my home base they received
confirmation that their available spare units were compatible
with 22+58. Repair works were started and took until after duty
hours. This extra effort by maintenance enabled me to return to
home base on this day as planned. Shortly before 2100 hour local
time I landed at Memmingen without any further event.
My
flight log book tells me that by pure incident my next two
flights were also accomplished with 22+58 which indicates that
neither of us was hedging bad feelings. |
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